Vertiefungsworkshop: Wir nennen es Surplus-Proletariat

U5 - Universitätsstr 5, Wien

"Wir nennen es »Surplus-Proletariat«. Zur Produktion „überflüssiger“ Menschen und ihrer Folgen"

Workshop mit den Freundinnen und Freunden der klassenlosen Gesellschaft (Berlin)

Ohne eigentumslose, zur Lohnarbeit verdammte Klasse kein Kapitalismus. Marx sprach ironisch von der »ursprünglichen Akkumulation des Kapitals«, um die gewaltsame Trennung der Bauern vom Land zu beschreiben. Diese Entwicklung dauert bis in die Gegenwart fort, allerdings mit einem gravierenden Unterschied zur Geschichte Europas: Immer seltener folgt auf die Proletarisierung eine einigermaßen geregelte Lohnarbeit, immer häufiger eine Existenz als Teil der globalen Überschussbevölkerung, die sich irgendwie durchschlagen muss.

Weniges dürfte für Gegenwart und Zukunft der Klassenkämpfe so bestimmend sein wie diese schwindende Integrationskraft des Kapitalismus. In den Kämpfen der arbeitslosen Piqueteros in Argentinien und den arabischen Aufständen, in den neueren Platzbesetzungen nicht anders als in den Riots in der französischen Banlieue 2005 und in London 2011 spielt das wachsende Heer der Überflüssigen eine erhebliche Rolle.

Mike Davis hat diesen geschichtlichen Umbruch in seinem Buch Planet der Slums (2006) eindrücklich geschildert. Seit den 1970er Jahren sind die von einem »informellen Proletariat« bevölkerten Slums weltweit rapide gewachsen, und alles spricht für ein Anhalten des Trends. In der Deutung des Phänomens hält sich Davis jedoch an die gängige linke Erzählung von einem »Neoliberalismus«, der offenbar ohne Notwendigkeit über den Planeten hereingebrochen ist.

Marx fasste es dagegen als »allgemeines Gesetz der kapitalistischen Akkumulation«, durch das Wachstum der Produktivkräfte immer größere Teile des Proletariats überflüssig zu machen. Ob er das schlüssig begründen konnte und wie sich dieses Gesetz in den letzten 150 Jahren geltend gemacht hat oder nicht, ist durchaus umstritten. Anknüpfend an Marx wollen wir die globale Überschussbevölkerung nicht als Ende der Klassengesellschaft, sondern als deren letzte Konsequenz interpretieren, und entsprechend die Kämpfe des globalen Surplus-Proletariats als Klassenkämpfe. Auch die Grenzen dieses Gedankens werden zu bedenken sein.

Der begleitende Reader zum Workshop:
https://www.kosmoprolet.org/sites/default/files/surplus_reader_hh.pdf