Vortrag und Diskussion in Berlin: Quacksalber am Krankenbett des Kapitals – Wie Staatslinke Krisenlösungskompetenz erwerben

k-fetisch, Wildenbruchstr. 86, Berlin.

Inklusive der Vorführung des Films „Der Meisterschwätzer“ (D, 2012)

Nach fünf Jahren angestrengter Krisenlösungspolitik ist die gesamte Euro-Zone glücklich in der Rezession gelandet. Die Krise verschärft die Konkurrenz auf allen Ebenen, zwischen Kapitalen, zwischen Staaten. Da sie letztlich eine Überproduktionskrise ist, führt an Kapitalentwertung kein Weg vorbei. Die Konkurrenz wird mörderisch: Wo wird entwertet? Wer ruiniert wen und kann vielleicht sogar auf eine Übernahme der Rivalen hoffen?

Inmitten dieses allgemeinen Hauens und Stechens zeichnen die Staatslinken ein idyllisches Bild, wie die Krise sozialverträglich zu lösen sei. Am Ende des düsteren Tunnels leuchten strahlend die Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa auf, wenn erst drei Schritte vollführt sind:

Schritt 1: Den Diskurs verschieben

„Wer in der Krise die Definitionsmacht über das Problem hat, bekommt auch die politische Lösungskompetenz“, verkündet Ingo Stützle in der Zeitschrift Analyse & Kritik.„Politische Lösungskompetenz“ verweist unmittelbar auf den Staat, und als Mittel dient eine sozialdemokratische Partei: in Griechenland Syriza („Mit ihrem oppositionellen Konzept ist Syriza zu einem politischen Hoffnungsträger geworden“, meint Karl Heinz Roth), hier die Linkspartei, die, wie die Gruppe Soziale Kämpfe versichert, „als umkämpftes Feld zu denken“ sei. Ist der Diskurs in der Partei, dann in der Gesellschaft erfolgreich verschoben und hat die Partei den Staat des Kapitals erobert, folgt:

Schritt 2: Die staatliche Krisenlösung

Syriza als Hoffnungsträger fordert den sofortigen Stopp des Sozialabbaus, insbesondere die Rücknahme der Lohn- und Rentenkürzungen sowie der Einschränkungen im Gesundheitswesen, u.a. mittels Verstaatlichung der Banken und einem Schuldenmoratorium, meint Roth. Das bringt die Akkumulation wieder so richtig in Schwung! In Frankreich sieht man derzeit, wohin solche Programme führen. Die Reformillusionen, mit denen der Sozialdemokrat Hollande die Wahlen gewann, sind innerhalb von Wochen zerstoben, plötzlich gilt Frankreich als „der kranke Mann Europas“.

Aber das muss einen nicht übermäßig belasten, schließlich fehlt noch:

Schritt 3: der Aufbau des Sozialismus in einem Europa von unten

Ist die Wirtschaftsdemokratie inkl. der Demokratisierung des Finanzsektors (u.a. finden sich hier so bedeutsame Reformen wie die Forderung nach einem kostenlosen Girokonto für alle Bürger, das etwa von Alex Demirovic und Thomas Sablowski ins Gespräch gebracht wird) durchgesetzt, steht dem „von unten“ zu bewerkstelligenden Aufbau der Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa kaum noch was im Wege. Diese, so dekretieren Demirovic und Sablowski, „wären auch nur eine Form des Übergangs hin zur Vereinigung der gesamten Menschheit, zu einer klassenlosen und herrschaftsfreien Gesellschaft, in der der Staat abstirbt“.
Da ist sie wieder, die gute alte Übergangsgesellschaft mit ihrem absterbenden Staat. Das hat ja schon immer prima funktioniert.

Demgegenüber ist festzuhalten: Die Forderung, die Illusion über seinen Zustand aufzugeben, ist die Forderung, einen Zustand aufzugeben, der der Illusionen bedarf.