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Warum wir Widerstand nicht gegen das WEF leisten

01. Januar 2005
Von

Zur Notwendigkeit der Kritik am ganzen Spektakel

Flugblatt der WEF-Proteste 2005

Du hast heute bestimmt schon drei Flugblätter gelesen, in denen von Lohn- und Sozialabbau und von verschärfter Ausbeutung die Rede ist. Wir wollen uns deshalb gar nicht lange bei der korrekten Beschreibung der sich verschlechternden Lebensbedingungen aufhalten. Diese sind typische Krisenmerkmale des kapitalistischen Systems, welches bei stockender Verwertung gezwungen ist, unprofitable Sektoren zu eliminieren und die «soziale Hängematte» – eine verharmlosende Umschreibung der Überwachungs- und Integrationsmechanismen des Sozialstaates – zu reduzieren. Das mit dem Abbau von Sozialleistungen einhergehende Gerede vom Verzicht zum Wohle der Gesamtheit (also für das System) dient lediglich der Disziplinierung der Unterworfenen. Diese sollen ihr Leben den neuen Verwertungsbedingungen entsprechend einrichten.

In der aktuellen Krise wird ihr systembedingter Ursprung selten erwähnt, stattdessen werden herrschende Vorurteile und rassistische Muster verstärkt: Sozialschmarotzer, Scheininvalide und dealende Afrikaner treten als Ursache der Krise der Volkswirtschaft auf den Plan. Die Bürger und Bürgerinnen müssen, ihre Unzufriedenheit auf jene Sündenböcke gelenkt, weiterfunktionieren. Falsch ist es jedoch auch, hinter der Krisenpolitik irgendwelche «Herrschende» zu vermuten, welche die Politik des Staates steuern, und so die Krise produziert haben. So treffen sich zwar beim WEF Eliten aus Wirtschaft und Politik, doch darf dies nicht zur irrigen Annahme führen, dort werde frei über das weitere Geschick der Menschheit entschieden. Hinter der sogenannten neoliberalen Politik verbirgt sich vielmehr ein Versuch verschiedener, zum Teil miteinander im Widerspruch stehender, gesellschaftlicher Kräfte, eine Strategie zur Überwindung der Krise zu schaffen.

Der Staat, welcher diese Aufgabe übernimmt, darf nicht als ein Instrument betrachtet werden, welches losgelöst von den existierenden Verhältnissen agieren kann. Er kann seine eigene ökonomische Grundlage, den Kapitalismus, ebensowenig abschaffen, wie umgekehrt die kapitalistische Wirtschaft ohne Staat undenkbar ist. Das heisst, er muss in der Krise die Aufrechterhaltung der Verwertungsbedingungen mit allen Mitteln gewährleisten: Der Staat ist nicht der Staat der Kapitalisten, sondern der Staat des Kapitals. Er handelt auch mit den Sozialgesetzgebungen kapitalismusstabilisierend, selbst wenn diese punktuell gegen einzelne Kapitale gerichtet sind, da er damit den Klassenwiderspruch befriedet und die Reproduktion der Arbeitskräfte sicherstellt. Bezeichnenderweise ist der Sozialstaat mit Hilfe der Sozialdemokratie kurz vor und während des Zweiten Weltkrieges installiert worden, um den Burgfrieden zu sichern, beziehungsweise soziale Unruhen zu verhindern.

Eine Kritik an der Verteidigung des Sozialstaates tönt heute nur deshalb zynisch, weil die Menschen real verelenden und keine revolutionär-kollektiven Organisierungsmöglichkeiten als Ersatz existieren. Trotzdem kann der Versuch der Befreiung vom bestehenden Elend nicht die Kritik am Abbau des Sozialstaates, am Managertum oder am WEF bedeuten, sondern muss die kapitalistische Totalität ins Blickfeld kriegen.

Für die Assoziation der Freien und Gleichen!