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Kritische Anmerkungen zur aktuellen Situation in Ecuador einen Monat nach dem Generalstreik

23. November 2019
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Einen Monat nach dem Oktoberaufstand von Ecuador legt ein kommunistischer/anarchistischer Genosse aus Quito die momentane Situation in Ecuador dar. Sie ist geprägt von Repression, Arbeitsmarktreformen, Sparmaßnahmen und Privatisierungen. Gleichzeitig kritisiert er diejenigen Kräfte, die maßgeblich dazu beigetragen haben, die Massenmobilisierungen zu beenden, allen voran den Dachverband der indigenen Nationalitäten (Conaie).

Was die Regierung bzw. den bürgerlichen Staat betrifft:

1. Es gibt zurzeit eine selektive Repression. Sowohl auf legaler wie auch auf polizeilicher und medialer Ebene. Sie richtet sich vor allem gegen Gewerkschaftsvorsitzende, Student*innen und Repräsentant*innen der indigenen Bewegung, aber auch gegen Leute die sich an Sanitätsgruppen oder sonst auf irgendeiner Art und Weise am Generalstreik beteiligten. Die Repression gilt als Rache und "exemplarische Bestrafung".

2. Die Streitkräfte Ecuadors bereiten sich auf die Aufstandsbekämpfung vor. Der Staat hat der sozialen Bewegung den Krieg erklärt. Vor allem 19 vermeintliche „gewaltbereite Gruppen“ und „anarchistische Zellen“ (die nicht existieren) stehen im Visier der Repressionsorgane. Laut der Regierung sollen sie verfolgt und vernichtet werden. Wie schon in unzähligen anderen Ländern erfindet der Staat einen neuen inneren Feind, um seinen brutalen und heuchlerischen Terrorismus zu rechtfertigen und die Bevölkerung einzuschüchtern. Denn tief im Inneren fürchtet sich der Staat vor den proletarischen Massen. Der Aufstand hat gezeigt, wozu die Massen imstande sind, und die Regierung fürchtet sich vor einem erneuten Ausbruch der sozialen Wut. Um die Übermacht des Staates zu bewahren, fordern die ecuadorianischen Streitkräfte mehr Geld und Ausrüstung und dass einige Gesetze geändert werden. Darüber hinaus würdigte Lenin Moreno im Präsidentenpalast „Carondelet“ die "übermäßige Großzügigkeit" und die „verhältnismäßige Anwendung von Gewalt“ von Polizei und Militär während den sozialen Unruhen. Der Präsidentenpalast ist übrigens immer noch von Absperrgittern und Stacheldraht umgeben. Außerdem werden zurzeit einige Polizist*innen „therapiert“, da sie von den „Entführungen“ während des Aufstands "traumatisiert" worden seien.... ja natürlich, die Armen.1 Wie bereits erwähnt: Wir haben es mit einem brutalen und scheinheiligen Staatsterrorismus zu tun.

3. Aus wirtschaftlicher Sicht wurden letzte Woche die Arbeitsmarktreformen zugunsten der herrschenden Klasse und der Regierung bestätigt. Reformen die für die städtische und ländliche Arbeiterklasse eine zunehmende Prekarisierung bedeuten. Die Gewerkschaften haben diese Maßnahmen mitgetragen. Dazu gehören Personalabbau, Kürzung von Gehältern, Urlaub und Altersrenten, Flexibilisierung der 40-Stunden-Woche; flexible Arbeitsverträge usw.

4. Die staatlichen Gelder für öffentliche Universitäten werden gekürzt, was eine Verschlechterung der Studienbedingungen für Studierende sowie der Arbeitsbedingungen für Lehrkräfte und Verwaltungspersonal bedeutet.

5. Die Regierung hat gerade ein "Wirtschaftswachstumsgesetz" vorgeschlagen, das hauptsächlich Steuern und Zöllen abschaffen soll. Davon wird direkt und ausschließlich die importierende, exportierende, agroindustrielle und baugewerbliche Bourgeoisie profitieren. Dies soll durch die Abschaffung und Senkung anderer unbedeutenden Steuern auf bestimmte Konsumgüter kompensiert werden. Angeblich soll dies der "Mittelschicht" zugute kommen.

6. Zudem hat die Regierung Maßnahmen vorgeschlagen, die die „Landwirtschaft wiederbeleben" sollen. In Wirklichkeit sind sie ein Vorwand, um die Abschaffung der Kraftstoffsubventionen und die Kreditverwaltung nicht auf alle, sondern nur auf bestimmte Sektoren abzuwälzen. Dazu kommt der lächerliche Versuch, dies durch neue ländliche Schulen, den Zugang von Abiturient*innen zu öffentlichen Universitäten und andere Sachen zu kompensieren. Zweifellos ist dies ein verzweifelter, beschämender und vergeblicher Versuch, die indigene Bewegung und die Bauern hereinzulegen, zu spalten, zu kaufen und zu beruhigen.

7. Der Privatisierungsprozess öffentlicher Unternehmen schreitet währenddessen schleichend voran: die „Corporación Nacional de Telecomunicaciones“ (ein Nationales Telekommunikationsunternehmen. Anm. d. Ü.), Wasserkraftwerke, die Bank „Banco del Pacífico“, die Erdölraffinerie von Esmeraldas, Stromverteilungsunternehmen, das nationale Zementwerk usw. Für die Bourgeoisie ist die Privatisierungen ein großes Geschäft mit riesigen Profite aber für die Mehrheit der Bevölkerung, für das Proletariat, bedeutet sie einen Anstieg der Lebenshaltungskosten oder, mit anderen Worten, sie führt zu einer größeren Verarmung.

8. Die offiziellen Medien (beispielsweise der Fernsehsender Teleamazonas, der zu einer der größten Banken dieses Landes, der „Banco Pichincha“, gehört), verbreiten weiterhin Falschinformationen und Lügen. Dabei stellen sie sich ganz offensichtlich auf die Seite der bürgerlichen Regierung des Mörders Lenin Moreno und gegen die Proteste. Sie verunglimpfen immer noch die vergangenen Proteste und die Leute „von unten“ und beklagen sich fortdauernd über "die Verluste, die die Proteste für das Land verursacht haben", d. h. der Verlust für die Unternehmen. Diejenigen, die sich an den Protesten beteiligten, werden weiterhin als "Faulenzer, Vandalen, Aufständische, Terroristen" bezeichnet.

9. Angesichts all dieser offensiven Maßnahmen seitens der Regierung ist es möglich, dass sich breite Mobilisierungen wieder verbreiten.

Aus der Sicht der sozialen Bewegungen oder des Proletariats im Kampf:

1. Wir kämpfen für die 1192 Verhafteten (einschließlich Minderjährige), die 1340 Verwundeten und die 11 Toten des Aufstands. Wir fordern Freiheit, Solidarität, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung für alle Genoss*innen und dass diese mörderische Regierung von Moreno nicht ungestraft bleibt, insbesondere nicht die Minister Jarrín und Romo.

2. Zweifellos war die indigene Bewegung die Speerspitze des sozialen Aufstands (sie war nicht der einzige und auch nicht der erste Akteur auf den Straßen, aber nach einigen Tagen definitiv der Hauptakteur). Doch in den letzten drei Wochen war die Position der indigenen Bewegung, wie auch die der Gewerkschaften, sehr ambivalent. Sie schwankten zwischen Dialog mit der Regierung und der Ankündigung neuer Kampfmaßnahmen und Mobilisierungen. Aus diesem Grund ist es notwendig aus der Basis heraus eine autonom-unabhängige und radikale Kritik zu formulieren.

3. Zur Kritik der CONAIE (der Dachverband der indigenen Nationalitäten Ecuadors. Anm. d. Ü.): Am elften Tag des Streiks trat die CONAIE in Dialog und Verhandlungen mit der Regierung. Sie formalisierte dadurch die Rücknahme des Erlasses Nr. 883 (Streichung der Treibstoffsubventionen. Anm. d. Ü.), eine Errungenschaft, die nur dank des Straßenkampfes erreicht wurde. Im selben Zug trug die CONAIE durch die Verhandlungen mit der Regierung zur Eindämmung der Massenmobilisierungen bei. Ein weiteres Problem sind die zweideutigen und opportunistischen Handlungen und Äußerungen des Präsidenten der CONAIE, Jaime Vargas: Er rief zunächst dazu auf, neue Kampfmaßnahmen zu ergreifen, dann zum Dialog mit der Regierung und danach sprach er sich wieder für neue Kampfmaßnahmen aus. Später nannte er den scheiß Krüppel2 Moreno einen scheiß Krüppel, nur um sich danach zu entschuldigen. Vargas sprach davon, eine "indigene Armee" zu gründen, später rief er dazu auf, mit den Sicherheitskräften zu kooperieren. Mittlerweile fantasiert er an Pressekonferenzen über Wahlen und den Präsidentenposten, er spricht bereits offen über die Regierung, Ministerien usw. Vor zwei Wochen rief die CONAIE verschiedene soziale Organisationen dazu auf, ein "Volksparlament" zu gründen, um einen Vorschlag für ein "neues Wirtschaftsmodell" zu erarbeiten und es der Regierung zu übergeben. Dies um "ein neues Sparpaket zu vermeiden". Dieses Volksparlament besteht hauptsächlich aus der Triade CONAIE-FUT3-Frente Popular4 sowie anderen kleineren Organisationen. Das Problem dabei ist, dass dieses Volksparlament eine kapitalistische, bürgerlich-demokratische und repräsentative politische Form ist, die das Parlament, den Kongress oder die Nationalversammlung des Staates der Reichen und Mächtigen nachahmt. Zudem schlägt das Volksparlament ein typisch reformistisches Programm vor, das zum x-ten Mal recycled wird. Dazu gehören Etatismus (sie wollen den Staat als Hauptakteur und Lenker der Wirtschaft etablieren), Umverteilung, staatliche Subventionen (sowohl für den ländlichen als auch für den städtischen Sektor der Wirtschaft), eine neue Entwicklungspolitik (es ist die Rede von einer "neuen und wahren Entwicklung unseres Landes") und die Erschaffung eines plurinationalen Staates. Letzteres ist zentraler Bestandteil der Ideologie der CONAIE. Die radikale Kritik in diesem Fall ist, dass es nicht darum geht, das Wirtschaftsmodell zu verändern (und schon gar durch Beteiligung an den Wahlen in zwei Jahren), sondern die gesamten Strukturen, die die sozialen Beziehungen formen, in ihrer Gesamtheit zu verändern und an die Wurzel des Problems vorzudringen. Denn das grundlegende Problem ist nicht der "Neoliberalismus" oder der IWF, sondern der Kapitalismus, der sich heute in einer Situation der Krise und der Katastrophe befindet. Die Auswüchse des Kapitalismus drohen unsere Spezies zu vernichten und unseren Planeten noch mehr zu zerstören. Ja, so ernst ist die Lage. Darüber hinaus haben in den letzten drei Jahrzehnten alle Modelle und Regierungen – von rechts bis links – auf der ganzen Welt nichts anderes getan, als zur Bewältigung der Krise beizutragen. Sie sind allesamt offensichtlich gescheitert. Nicht wegen eines spezifischen Fehlers im Rahmen der Wirtschaftspolitik oder wegen eines spezifischen Machthabers, sondern weil der Kapitalismus und seine Krise unregierbar sind und derzeit kurz vor dem Zusammenbruch stehen. Der sogenannte "politische und wirtschaftliche Realismus" der Sozialdemokratie ist in diesem Sinne eine reaktionäre Utopie, weil er nicht versucht das kapitalistische System zu zerstören und zu überwinden, und, weil er vom kapitalistischen System etwas verlangt, was es nicht realisieren kann. Die einzig wirkliche und radikale Lösung oder Alternative zur Krise und kapitalistischen Katastrophe ist die soziale Weltrevolution, der Kommunismus und die Anarchie, d. h. die Abschaffung und Überwindung von Privateigentum, Lohnarbeit, Wert, Markt, sozialen Klassen, Staaten, Nationen, „Rassen“ und allen anderen Formen der Unterdrückung. Dies kann natürlich nicht im Rahmen des bürgerlichen Staates und seinen Wahlen heraus passieren, sondern nur durch den autonomen und antagonistischen Kampf der Ausgebeuteten und Unterdrückten der Stadt und des Landes. Wir sollten unsere Bedürfnisse, Interessen und Klassenansprüche, ins Zentrum rücken und uns gegen den Kapitalismus und seinen Staat positionieren bis beide ein für alle Mal abgeschafft, überwunden und durch die menschliche Weltgemeinschaft ersetzt werden.

4. Kritik an der FUT: Nach dem Streik kündigte die FUT für den 30. Oktober neue Mobilisierungen gegen die letzte Arbeitsreform an. Doch die Regierung bewilligte die Kundgebungen nicht, was die FUT dazu bewegte die Mobilisierungen abzusagen und mit Arbeitgeberverbänden und der Regierung zu verhandeln. Infolgedessen wurden, wie bereits erwähnt, Arbeitsmarktreformen (bzw. der „paquetazo laboral“) ratifiziert. Nichts Neues oder Überraschendes, denn schließlich erfüllen die Gewerkschaften ihre ewige Rolle als Verhandlungsleiter im Dienste der Ausbeutung der proletarischen Klasse und als Kollaborateure der herrschenden Klasse. Die Gewerkschaften sind ein Werkzeug des Staats des Kapitals innerhalb der Arbeiter*innenklasse, sie sind Organe der Konterrevolution und Konterrevolte. Es ist unbestritten, dass wir Arbeiter*innen (formell und informell; Angestellte, Arbeitslose und Unterbeschäftigte) uns organisieren müssen, um für unsere materiellen Bedürfnisse und unmittelbaren Klasseninteressen zu kämpfen. Doch dies sollte außerhalb und gegen die Gewerkschaften geschehen. Es gibt andere Organisationsformen und vor allem andere Inhalte des proletarischen Kampfes gegen das Kapital.

5. Es gibt Meinungsverschiedenheiten, Spannungen und Konflikte zwischen der Basis und der Führung der Conaie. Dasselbe war vor, während und nach dem Aufstand auch in anderen Organisationen zu beobachten. Das ist keine Kleinigkeit. Im Gegenteil. Solche Konflikte können zur Radikalisierung des sozialen Kampfes führen.

6. Es gibt neue Organisationen und Zusammenschlüsse wie die einberufenen Basisversammlungen in Quito (z.B. die antikapitalistische Vollversammlung von Quito, an der wir derzeit teilnehmen), Cuenca, Loja, Cotopaxi, Chimborazo, die vorschlagen, überall territoriale Vollversammlungen zu bilden und zu stärken (in der Nachbarschaft, an öffentliche Universitäten, in indigene Gemeinden, an den Arbeitsplätze usw.), in denen über die Bedürfnisse des kollektiven Kampfes und des Lebens im Allgemeinen diskutiert und Entscheidungen umgesetzt werden sollen. Alle Macht den Vollversammlungen!

Trotz allem muss festgehalten werden, dass die Vollversammlungen innerhalb der hiesigen sozialen Bewegung, noch schwach sind und nicht von vielen Leuten getragen werden. Ja, die Vollversammlungen haben momentan sogar eine marginale Position. Nicht nur bei den Massen, sondern auch unter den aktiven proletarischen Minderheiten selbst. Nichtsdestotrotz sollten die Vollversammlungen nicht kleingeredet werden, denn vor dem Aufstand existierten viele dieser Zusammenschlüsse nicht. Zurzeit ziehen sie Lehren aus den Oktobertagen und bereiten sich auf neue Kämpfe vor. Die beste Schule ist der Kampf selbst und unsere Klasse lernt, wie sie weiterhin auf effektivere Art und Weise für ihre Selbstbefreiung kämpfen kann.

7. Die gegen-hegemoniale digitale Presse bzw. die Gegeninformationsmedien tun weiterhin jeden Tag ihr Bestes in den sozialen Netzwerken. Wir empfehlen ihnen zu folgen (eine Liste dieser Medien finden sich auf der letzten Seite des Fanzines "Somos Pueblo" Nr. 1).

8. Schlussbetrachtungen: Der Aufstand ist vorbei, aber der soziale Kampf geht weiter und muss bis zu den letzten Konsequenzen weitergeführt werden. Dafür sollten wir agitieren und unsere Selbstorganisation, wie auch die Mobilisierungen stärken. Wir sollten das Proletariat der Stadt und des Landes, die indigenen und mestizen Gemeinschaften radikalisieren. Wir sollten uns außerhalb und gegen staatliche Institutionen, Gewerkschaften, Parteien und jegliche Repräsentant*innen organisieren. Wir sollten Verhandlungen und Wahlen ablehnen. Der Kampf um unsere Lebensbedürfnisse ist direkt, unabhängig und radikal oder er ist nicht. Seine Grundlage ist die Solidarität und der Klassenkampf, wie auch die gegenseitige Hilfe und die direkte Aktion. Zu sagen, dass der Kampf bis zu den letzten Konsequenzen fortgesetzt werden sollte, bedeutet, dass der Kampf darin besteht, alles zu besetzen und zu verändern. Wir sollten für die internationale soziale Revolution einstehen und nicht für etatistische, populistische und "pluri" nationalistische Reformen. Wir kämpfen mit Kopf und Händen weiter, um unsere Lebensbedingungen zu verbessern und um über das Bestehende hinaus zu gehen. Antikapitalismus, Anti-Etatismus, Internationalismus und proletarische Autonomie sind keine "abstrakte, extremistische und kindliche Prinzipien", wie die Reformisten sagen. Sie sind eine konkrete Notwendigkeit, um den Kampf, die Errungenschaften und die Emanzipation unserer Klasse hier und überall aufrechtzuerhalten und voranzutreiben. Die jüngsten Ereignisse in Ecuador, Chile und einigen anderen Ländern der Welt haben gezeigt, dass die proletarische Revolte auf der Tagesordnung steht und dass die soziale Revolution möglich ist. Natürlich ist es noch ein langer Weg, aber irgendwo müssen wir ja beginnen. Lasst uns für die soziale Revolution kämpfen, lasst und sie verwirklichen, oder zumindest die ersten Schritte in ihre Richtung gehen. Die soziale Revolution sollte Wurzeln schlagen, dies ist erst der Anfang.

Trotz der Rückkehr zur Normalität sind einige antikapitalistische Minderheiten noch aktiv und wir denken, dass es neue Massenmobilisierungen (unabhängig davon, wer dazu aufruft) geben wird. Wir werden wieder auf die Straße gehen und kämpfen, um zur Entwicklung der Autonomie und der Radikalisierung unserer Klasse beizutragen. Wir werden agitieren, versuchen eine soziale Spannung, einen Bruch mit dem Bestehenden, einen qualitativen Sprung in Richtung Emanzipation zu erzeugen, wie auch den Organisations- und Bewusstseinsgrad unserer Klasse zu erhöhen. Kurz gesagt, geht es darum, den Aufbau einer revolutionären sozialen Kraft zu unterstützen. Dafür ist es notwendig eine genuin revolutionäre "Strömung" innerhalb des Proletariats aufzubauen. Auch wenn die Revolutionär*innen zurzeit eine Minderheit sind, ist dies eine Notwendigkeit.

Konkret gesprochen, gilt dies für alle gegenwärtigen und zukünftigen Kämpfe verschiedener ausgebeuteten und unterdrückten Sektoren (auf wirtschaftlicher, kultureller und sexueller Ebene wie auch im Bereich der Bildung oder im Bereich der Kämpfe gegen die Repression usw.). Denn diese Kämpfe werden nicht die Reichen und Mächtigen in irgendeiner Form anflehen, denn sie sind diejenigen, die uns mit Hunger, Depressionen oder einer Kugel töten. Sie werden den Reichen und Mächtigen alles entreißen, den Konflikt verallgemeinern, sich vereinen und radikalisieren bis die soziale Revolution ausbricht. Dafür ist die Vereinigung und Zusammenlegung all der verschiedenen Kräfte notwendig. Nur dann kann man gegen den gemeinsamen Feind kämpfen und ihn besiegen. Der kapitalistische Staat sollte durch die selbstorganisierten und selbstverwalteten Vollversammlungen aufgehoben werden, d. h. proletarische Vollversammlungen mit einem anti-staatlichen, marktfeindlichen und internationalistischen Charakter. All das passiert natürlich nicht über Nacht, es handelt sich um einen historischen und internationalen Prozess, der ohne Übergangsphasen, ohne politische Repräsentant*innen, ohne Verhandlungen auskommen sollte und nicht beim kleinsten Übel stehen bleiben und sich mit ein paar Almosen zufrieden geben sollte. Andernfalls wird der soziale Kampf von unseren Klassengegner*innen rekuperiert, Gegner*innen die behaupten, uns zu vertreten, aber in Wirklichkeit den Kampf verraten und untergraben. Aus diesem Grund ist der Reformismus der Linken genauso gefährlich und verheerend wie die staatliche Repression. Es ist hier und jetzt notwendig, die Spreu vom Weizen zu trennen und den Reformismus in den Reihen der städtischen und ländlichen Arbeiterorganisationen zu konfrontieren und zu überwinden, sowohl in der Praxis wie auch in der Theorie (und auch im Diskurs) und im Gefecht selbst. Unsere Devise sollte sein: Selbstorganisation, Mobilisierung und Radikalisierung der proletarischen Basis, um alles zu übernehmen und zu verändern. Wir, die Ausgebeuteten und Unterdrückten dieses Landes gehen nicht auf die Straße und riskieren Kopf und Kragen während des Generalstreiks, nur um uns dann wieder mit den gleichen Krümeln zufrieden zu geben. Wir haben genug von diesem ganzen scheiß System, das wir täglich ertragen müssen. Wir sind nichts und wir wollen alles. Wir bewegen uns in Richtung Leben und werden nicht mit den Verantwortlichen für das ganze Blut und all die Toten verhandeln. Der Kampf geht weiter, bis zur sozialen Revolution und nicht bis zu einer wirtschaftlichen und politischen Reform.

9. Wir wollen diese Notizen mit einer schönen Nachricht beenden, die in Quito am 3. November mit einem Marker auf einen Bus geschrieben wurde: "Lieber Aufstand: Alles Gute zu deinem ersten Monatstag! Wir werden zurückkehren, wenn uns danach ist.“

Quito, 8. November 2019

Ins Deutsche übersetzt von Eiszeit

Gefunden auf: https://proletariosrevolucionarios.blogspot.com/

  • 1. Während dem Aufstand anfangs Oktober wurden einige Polizisten und Militärs von Teile der indigenen Bevölkerung gefangen genommen. Verletzt wurde während dieser „Gefangenschaft“ niemand. Einige Polizisten mussten ein spirituelles Reinigungsritual machen und wurden anschließend dazu gezwungen, den Sarg mit dem Leichnam der ermordeten Kämpfer*innen zu Grabe zu tragen. (Anm. d. Ü.)
  • 2. Im Originaltext wird dieser diskriminierende Ausdruck verwendet. Anm. d. Ü.
  • 3. Frente Unitario de Trabajadores. Zu Deutsch: Einheitsfront der Arbeiter. Eine der größten Gewerkschaften Ecuadors. Anm. d. Ü.
  • 4. Eine stalinistische und opportunistische Partei die sich an den Wahlen beteiligt.