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Diskussionsveranstaltung und Tagesseminar in Berlin: Über das »Finanzkapital« und seine Kritiker

Mehringhof, Gneisenaustraße 2a, Berlin

Diskussionsveranstaltung: Freitag, 1. Juli, 19:30 Uhr im Versammlungsraum des Mehringhof (Gneisenaustr. 2a)
Tagesseminar: Samstag, 2. Juli, 10 bis 18 Uhr, Blauer Salon im Mehringhof (Anmeldung nicht erforderlich)

Obskure Derivate, faule Kredite, Bankenrettungen, explodierende Staatsverschuldung: Mit der jüngsten Krise ist das sogenannte Finanzkapital ins Zentrum des Interesses gerückt. Im vorherrschenden Bewusstsein gelten Zocker aus der Finanzwelt als Ursache des Übels, die staatlichen Rettungsaktionen entsprechend als unverdiente Belohnung. Reformlinke knüpfen daran an: Mit der Rede von einem »finanzdominierten Kapitalismus«, in dem ein ganz neuartiger »Shareholder-Value« (Thomas Sablowski/Alex Demirovic) regiere, unterstellen sie eine qualitative Veränderung gegenüber früheren Phasen. Oft erscheint das Industriekapital dann nicht mehr als Menschenschinder, sondern als schutzbedürftiges Opfer der überzogenen Renditeansprüche von Finanzinvestoren. Aber auch Linke, denen solcher Konformismus fernliegt, behaupten einschneidende Veränderungen der Ökonomie und eine daraus erwachsende ungeheure Macht des »Finanzkapitals«. Schulden seien heute »der wahre Reichtum des Kapitalismus« (Gegenstandpunkt), die von Marx kritisierte Auffassung, durch Finanzgeschäfte könne das Kapital wachsen, habe sich »vom bloßen ideologischen Schein zur gesellschaftlichen Realität« (krisis) gewandelt.

Kann man angesichts jüngerer Entwicklungen eine neuartige »Finanzialisierung« des Kapitalismus feststellen? Was ist neu, was nicht? Gegen verbreitete Deutungsmuster wird Robert Schlosser zeigen, dass die wesentlichen Zusammenhänge zwischen Mehrwertproduktion und »Finanzkapital« noch immer die sind, die Marx im Kapital entschlüsselt hat, und die meisten vermeintlich neuartigen Phänomene bereits in früheren Krisen, sei es 1873 oder 1929, sich manifestiert haben. Die Verwertungsschwierigkeiten des produktiven Kapitals setzen auch dem »Finanzkapital« Grenzen, das in der aktuellen Krise entgegen dem Schein seiner Selbstherrlichkeit einige Federn lassen musste. Was das für Kritik in sozialrevolutionärer Absicht bedeutet, wird zu diskutieren sein.

Im Anschluss an die Diskussion am Freitag wollen wir dann am Samstag in einem Tagesseminar zunächst Schlüsselbegriffe aus dem dritten Band des Kapital diskutieren: zinstragendes Kapital, fiktives Kapital und Kredit. Wer nicht die Zeit hat, die entsprechenden Passagen vollständig zu lesen, kann sich mit den hier zusammengestellten Auszügen begnügen. Danach wird Robert Schlosser einige Überlegungen aus seinem umfangreichen Manuskript vorstellen. Dessen Lektüre ist empfohlen, aber nicht Voraussetzung für die Teilnahme. Abschließend wollen wir diskutieren, welche politischen Vorschläge aus einem bestimmten Verständnis des Finanzkapitals folgen. Dazu gibt es ein paar Passagen aus einem längeren Text von Alex Demirovic und Thomas Sablowksi sowie einen Kommentar von Schlosser zu Joachim Bischoff.

Die Materie ist nicht ganz einfach, aber das Seminar richtet sich ausdrücklich auch an Leute, die auf diesem Gebiet nicht bewandert sind

Robert Schlosser (Bochum) arbeitet seit vielen Jahren vor allem zu Fragen der Kritik der politischen Ökonomie. Seine Texte können unter www.rs002.de/Soziale_Emanzipation/Start.htm nachgelesen werden.

Texte zur Vorbereitung:
Wertgesetz und Finanzkapital (Robert Schlosser)
Auszüge aus "Finanzdominierte Akkumulation und die Krise in Europa" (Demirovic/Sablowski)
Auszüge aus Kapital Band 3 (Marx)
Neue Betriebsweise - neuer Kapitalismus (Joachim Bischoff)

Das Referat als PDF-Dokument:
Das Finanzkapital und seine Kritiker (Robert Schlosser)