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Frühlingsakademie im Herbst des Kapitals

Blauer Salon, Mehringhof, Gneisenaustraße 2a, Berlin

Dass die gegenwärtige Krise eine des Neoliberalismus ist, dass es Alternativen zur brachialen Sparpolitik gäbe und statt der breiten Bevölkerung doch einfach die »Profiteure der Krise« die Zeche zahlen könnten, ist heute eine offenbar lebensnotwendige Vorstellung der Linken – nicht nur ihres parlamentarischen Flügels, sondern auch vieler sich als radikal titulierender Fraktionen. Vom marxistischen Professor, der von der »Demokratisierung des Finanzsektors« (Alex Demirovic) träumt, über den ehemaligen Linksradikalen, der just im großen Schlamassel sein Faible für »Programme der Sozial- und Wachstumsförderung« und eine »Umsteuerung der sozialökonomischen Gesamtentwicklung« (Karl-Heinz Roth) entdeckt, bis zu den Aktivisten, die die herrschende Krisenbewältigungsstrategie zu einer Frage der »Definitionsmacht« verharmlosen und »die deutsche Dominanz in Europa brechen« wollen (Interventionistische Linke) – letztlich schielen alle auf den Staat, denn nur der kann »die linken Alternativen« (alle im Chor) in die Tat umsetzen.

Gegen diese Deutung der Krise wollen wir in einem Tagesseminar zeigen, dass bereits die Rede von einem herrschenden Neoliberalismus in die Irre führt, weil gerade in der Krise ohne ständige Staatseingriffe bis hin zu Verstaatlichungen überhaupt nichts mehr geht; dass die Staaten vor dem Dilemma stehen, weiter Schulden zu machen, was früher oder später an Grenzen stoßen muss, oder die ohnehin ramponierte Konjunktur durch rigide Sparprogramme abzuwürgen; dass eine »Umverteilung von oben nach unten« gewiss nicht die Krise lösen würde; und dass der Staat des Kapitals Sachzwängen unterliegt, die keine Erfindung irgendeines »neoliberalen Diskurses« sind, weshalb es bei allem Gezerre um den richtigen Kurs mit seinen Spielräumen nicht allzu weit her ist. Es geht darum, dem sozialdemokratischen Genörgel über die Vermögensverteilung eine materialistische Kritik der Produktionsweise entgegenzuhalten, und die ist ohne Staatskritik nicht zu haben.

Besprochen werden Texte von Johannes Agnoli, Paul Mattick (Sr.) und Paul Mattick (Jr.). Vorkenntnisse sind wie immer hilfreich, aber nicht erforderlich. Der Reader ist in den Buchläden oh21, Schwarze Risse, Zur schwankenden Weltkugel sowie im Café k-fetisch erhältlich und wird auf Wunsch in digitaler Version verschickt (Email an: freu.de.kla@gmx.de).