Flugblatt zum 1. Mai 2007
Ironischerweise wird der 1. Mai auch «Tag der Arbeit» genannt. Gilt es jetzt also die Arbeit abzufeiern? Aber wer steht denn schon morgens mit einem Jubelschrei auf und geht freudig zur Arbeit?
Und doch wird die Arbeit permanent in ein positives Licht gerückt. So entlässt die Firma XY nicht 1000 ab- und zugerichtete Lohnabhängige, sondern baut die Stellen von 1000 zu bedauernden «Mitarbeitenden» ab. Weiter treiben es Kampagnen, welche die Ausbeutung in der sogenannt «Dritten Welt» anprangern. Diese blenden aus, dass wir bei unserer täglichen Arbeit immer ausgebeutet werden, und dass es zynischerweise vielen Menschen in der Dritten Welt gerade deshalb noch dreckiger geht als den Leuten hier, weil sie nicht ausgebeutet werden. Denn Arbeit ist im Kapitalismus immer Ausbeutung, weil wir mit unserer Arbeitskraft mehr erzeugen, als wir ausbezahlt bekommen. So erzeugt jedes Unternehmen Mehrwert, wenn es dies nicht tun würde, könnte es seine Tore bald schliessen. Da es in in grossen Teilen der «Dritten Welt» kaum Lohnarbeit gibt, findet dort auch kaum Ausbeutung statt (oder sie geht in quasi-feudalen Formen von statten).
So sieht die bittere Realität aus, und am 1. Mai würden die Gewerkschaftsfahnen wahrscheinlich etwas weniger beschwingt im Winde flattern, wenn dieser in Zukunft «Tag der Ausbeutung» genannt würde. Und die Hilfswerke hätten grosse Probleme ihre Almosenbüchsen zu füllen, wenn sie künftig den Mangel an Ausbeutung in der Dritten Welt beklagten.
Unsere Gesellschaft funktioniert nur dank Ausbeutung, dank der von unzähligen Lohnabhängigen verrichteten Arbeit. Und so verkauft man ein Leben lang täglich seine Arbeitskraft, wird dumpfer und abgestumpfter. Hoffnung gibt es da wenig: Vielleicht mal einen Urlaub am Strand, den wir dankbar bezahlen, weil die letzten Kräftereserven für den Job bereits angebraucht wurden und der Burnout droht. Andere haben nicht das zweifelhafte Glück, einen Job zu haben: An Bewerbungsgesprächen, wenn sie denn überhaupt so weit kommen, müssen sie das Zirkustierchen spielen, fügsam, kuschend, bereit zu allem. Wir müssen um den Kauf unserer Arbeitskraft buhlen. Und zuletzt, wenn uns doch niemand einstellen wollte, müssen wir uns anhören, wie beschämend es ist, keine Arbeitsstelle zu haben. Wir fühlen uns erniedrigt, egal ob wir eine Arbeit haben, eine Arbeit wollen oder keine Arbeit erhalten. Irgendetwas stimmt da ganz grundsätzlich nicht.
Doch wir haben kaum Zeit, uns über die ganze Scheisse Gedanken zu machen, schliesslich gilt es sich über Sozialschmarotzer zu empören, die angeblich für unsere tägliche Misere verantwortlich sind, und wenn nicht über die, dann über die Südosteuropäer, welche uns den Krieg erklärt hätten, oder gar über die Raucher, welche die «Volksgesundheit» ruinieren. Jedes Jahr finden sich neue Gefahrenquellen, gegen die gehetzt und mobilisiert wird.
Aber es tragen nicht nur die anderen Schuld, dass wir nicht im Paradies auf Erden leben, wird uns vorgehalten. So wird in der aktuellen Klimadebatte versucht, das ökologische Gewissen der Massen zu wecken: Schuld an der Klimakatastrophe hätten wir, die wir schlecht und recht auf diesem Planeten arbeiten, konsumieren und manchmal sogar leben. Wir sollen uns einschränken, weniger konsumieren, nicht nach Luxus verlangen. Jedoch sorgt das gleiche System, das von uns verlangt, Energie zu sparen, in seiner inneren Logik dafür, dass immer mehr Energie verbraucht wird. Eine vernünftige Diskussion ist unter diesen Voraussetzungen nicht möglich, denn für ein Leben ohne Schädigungen ist der Kapitalismus schlichtweg nicht geeignet.
Solange wir uns immer wieder einreden lassen, dass wir für das Allgemeinwohl schuften und buckeln sollen, werden wir an unserem eigenen Leben nie etwas verändern können. Der Kapitalismus ist nicht zu retten und soll auch nicht gerettet werden. Da er global funktioniert, global herrscht, muss sein Sturz auch ein globaler, ein überall stattfindender sein. Überlegen wir uns, wie wir das anstellen wollen. Organisieren wir uns vom Kleinen bis zuletzt international, mit dem Ziel vor Augen, die wirkliche und einzige Lösung für die Probleme des Kapitalismus zu liefern: seine Abschaffung.
Für die staaten- und klassenlose Gesellschaft